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Öko-Familie

7. Mai 2010

Vor zwanzig Jahren wurden sie noch belächelt. Weil sie ihr Müsli selbst schroteten und die Kinder in Baumwollwindeln wickelten. Heute hat Familie Fürtges eine Ökoheizung – und liegt damit voll im Trend

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Eine Hand mit Holzpellets (Foto: DW)
Würmer zum Heizen? Das sind HolzpelletsBild: DW

Wenn Familie Fürtges aus dem Urlaub kommt, kann sie theoretisch per Handy-Fernsteuerung die Heizung einschalten. Stunden bevor sie ihr Haus betritt, zum Beispiel aus dem Auto. Das können die modernen Heizungen, die heute auf dem Markt sind. Auch Ökoheizungen wie die der Familie Fürtges.

Im vergangenen Juli ließen sich Karla und Georg Fürtges eine Pelletheizung in den Keller bauen. Nun wird die Wohnung mit der Energie verfeuerter Holzpellets warm. Und die bestehen allein aus Abfallprodukten wie gepressten Sägespähnen, Hobelspähnen und ein wenig Stärke als Leim. Kein Baum wird dafür gefällt, kein Öl- oder Gastransporter auf den Weg geschickt. Für ihre Heizung fährt nur ein Laster voll Pellets und wenn der umkippt, liegt Dünger auf der Straße - für die Umwelt vollkommen ungefährlich. Das ist den Fürtges wichtig.

Bis vor kurzem gab's noch staatliche Fördergelder

Karla und Georg Fürtges mit ihrer Pelletheizung (Foto: DW)
Vor kalten Wintern haben Karla und Georg Fürtges keine AngstBild: DW

27.000 Euro haben sie für ihre Ökoheizung bezahlt; eine Solar-Anlage mit zehn Quadratmetern Solarpanels auf dem Dach des Hauses eingeschlossen. Die unterstützt die Heizung, wenn es mal richtig kalt draußen ist. Für eine moderne Gasheizung hätten sie lediglich rund 10.000 Euro bezahlen müssen.

Karla und Georg Fürtges haben drei Kinder. Zwei von ihnen studieren, allein die jüngste Tochter lebt noch zu Hause. Karla Fürtges arbeitet bei der Stadt Herne, ihr Mann Georg beim Regionalverband Ruhr. Beim Preis der Pelletheizung mussten sie ein paar Mal schlucken. Deshalb haben sie sich über die staatliche Unterstützung gefreut. 4500 Euro Förderhilfe haben die Fürtges vom Bundesumweltministerium bekommen. Für das kommende Jahr hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Förderung aber gestrichen, auch gegen den Einspruch des Umweltministers.

Mittelfristig soll sich die Ökoheizung rentieren, denn Holzpellets sind billiger als Gas. Doch der ökonomische Aspekt war für die Fürtges nie das Entscheidende. Über die Förderung freuten sie sich dennoch, weil sie sie als Zeichen dafür sahen, dass sich in der Gesellschaft etwas geändert hatte. Karla Fürtges erinnert sich noch gut daran, dass das mal anders war. Als sie noch einen großen Aufwand betreiben musste, um Weißblechdosen von Restmüll zu trennen. Heute gibt es den Grünen Punkt und vor der Haustür stehen neben der Gelben auch eine riesige Altpapier- und eine vergleichsweise kleine Restmülltonne. "Vor zwanzig Jahren haben wir davon noch geträumt", sagt Karla Fürtges.

Baumwollwindeln statt Pampers

Damals in den 80er Jahren fing alles an. Die Grünen betraten die politische Bühne und rannten mit ihren Forderungen nach mehr Umweltbewusstsein bei den Fürtges "offene Türen ein", wie sie sagen. Die Kinder waren klein und "da war dann schnell das Thema Baumwollwindeln da", erinnert sich Karla Fürtges. Während die meisten Nachbarn und Freunde ihre Kinder in Einmal-Windeln zum Wegwerfen wickelten, entschieden sich die Fürtges für Baumwoll-Windeln, die dann gesammelt und fünf Mal in der Woche gewaschen werden musste. Das produzierte keinen Müll und war "für die Haut der Kinder ohnehin besser". Die Nachbarn, die im selben Haus wohnten, rümpften die Nase. Und auch wenn Frau Fürtges versichert, nie missionarischen Eifer entwickelt zu haben, "die Leute fühlten sich immer unaufgefordert dazu bewegt, sich rechtfertigen zu müssen."

Dabei sahen und sehen die Fürtges sich selbst gar nicht als fehlerfrei. Zwar essen sie eigenhändig geschrotetes Müsli zum Frühstück und sonst so wenig Fleisch und so viele Bioprodukte wie möglich. Die meisten davon kaufen sie aber im Bioangebot der Discounter, weil sie dort billiger sind. "Inzwischen geht das ja," sagen die zwei ganz pragmatisch. Georg Fürtges versucht bis heute so gut wie alle Strecken mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, ein Auto besitzt die Familie dennoch. Karla Fürtges pendelt täglich von Essen zur ihrer Arbeitsstelle in Herne. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bräuchte sie für die rund 30 km doppelt so lange wie mit dem Auto. Also steigt sie jeden Morgen in ihren Wagen.

Platz machen für 6,4 Tonnen Holzpellets

Die grün-graue Pelletheizung im Keller der Familie Fürtges (Foto: DW)
Die Pelletheizung: etwas größer als eine normale HeizungBild: DW

Auch der Einbau der neuen Heizung war für die Fürtges eine ganz pragmatische Lösung: Die alte Gasheizung war kaputt, eine neue musste her. Vor 16 Jahren haben die Fürtges das Einfamilienhaus im Essener Stadtteil Stadtwald gekauft. Das Haus war schlecht isoliert, die Heizungen alt. Schon vor einigen Jahren ließen sie daher die Fenster erneuern und das Haus mit zehn Zentimetern Isoliermaterial abdichten. Im Vergleich dazu war der Einbau der Pelletheizung eine Kleinigkeit. Die Heizkörper in den Zimmern konnten bleiben, allein im Keller mussten sie einen ganzen Raum für den Speicher der Pellets räumen. 800 Liter fasst die Holzkammer. 6,4 Tonnen Holzpellets hat Georg Fürtges zunächst bestellt - und damit ist der Speicherraum auch voll. Georg Fürtges hofft, damit eineinhalb Jahre auszukommen.

Aus diesem Speicher gelangen die Pellets automatisch je nach Bedarf in die Brennkammer des Ofens, der im benachbarten Raum ebenfalls im Keller steht. Er nimmt kaum mehr Raum ein als eine gewöhnliche Heizung. Der grün-graue Klotz ist circa einen Meter breit und anderthalb Meter hoch. Mit der in den Brennkammern erzeugten Wärme wird Wasser im Kessel der Pelletheizung erhitzt. Darüber erfolgt wie bei jeder anderen Zentralheizung die Wärmeverteilung dann über das erwärmte Wasser. Zusätzlich wird die Heizung durch die Solaranlage unterstützt.

Vor kalten Wintern hat Familie Fürtges keine Angst. Die Technik, die bei ihnen im Keller steht, ist hochmodern. Die Sache mit der Handy-Fernsteuerung haben sie bisher noch nicht ausprobiert. Aber Georg Fürtges würde es gern mal versuchen. Dann aber aus dem Zug, nicht aus dem Auto. Denn das soll weiterhin so oft wie möglich stehen bleiben.

Autorin: Sarah Judith Hofmann
Redaktion: Monika Griebeler/Martin Muno