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Wie die Arbeit uns anzieht

17. Januar 2011

Hautfarbene Unterwäsche sollte es bitte sein. Eine Schweizer Bank wollte Mitarbeitern gezielte Kleidungsvorschriften machen. An sich keine schlechte Idee, denn gewisse Kleiderordnungen können nützlich sein.

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Anzug und Krawatte (Foto: Marlis Schaum)
Bild: DW

Wenn Angela Merkel ihren Job als Bundeskanzlerin nicht gut macht, gibt es Kritik. Wenn sie ihre Haare nicht ordentlich föhnt, erst recht. Der wirre Vollbart des SPD-Politikers Wolfgang Thierse hat dagegen kaum jemanden gestört. Selbst dann nicht, als er das zweithöchste Amt des Staates innehatte: das des Bundestagspräsidenten. Die Wähler haben bestimmte Vorstellungen davon, wie Politiker sich kleiden sollen, und bei weiblichen Politikerinnen sind sie besonders kritisch.

Angela Merkel und Jens Stoltenberg bei der Eröffnung des neuen Opernhauses in Oslo 2008 (Foto: dpa)
Operneröffnung: zu viel Dekolleté für eine Kanzlerin?Bild: picture-alliance/dpa

Für Neulinge im Politikgeschäft, wie Josefine Paul, ist so etwas amüsant bis ärgerlich. Die Fassadenguckerei nervt sie. Von Frauen werde in der Politik nicht nur erwartet, dass sie sich seriös kleiden, sondern auch, dass es weiblich sein soll. Abgesehen davon ist der Dresscode, der unter Politikern herrscht, für Josefine Paul aber praktisch. Sie ist 28 Jahre alt und neu im Landtag des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Seit Mai ist sie Abgeordnete der Partei "Die Grünen".

Kleidung, die nicht ablenkt

Privat trägt sie gerne Jeans, T-shirt und Khakihosen. Ihr neues Leben als Berufspolitikerin brachte dann einen Garderobenwechsel mit sich - mehr Blusen und Blazer, Stoffhosen statt Jeans. Unangenehm findet sie das nicht, es gehört halt dazu. "Man achtet darauf, was man trägt. Die Leute erwarten, dass man nicht aussieht wie gerade aus dem Jugendzentrum gefallen", sagt Josefine Paul. "In meinem Alter, mit 28 Jahren, möchte man auch nicht unbedingt dadurch auffallen, dass man der flippigste Typ ist, sondern man möchte ernst genommen werden. Das ist manchmal eben ein bisschen leichter, wenn man Bluse und Blazer trägt."

Josefinde Paul zeigt ihr Tattoo (Foto: Marlis Schaum)
Josefines TattooBild: DW

Bluse, Blazer, Stoffhose - das ist Josefines Berufskleidung. Nicht besonders individuell, aber eben Kleidung, die nicht von den Inhalten ablenken soll, die Josefine vermitteln möchte. Ihr Tattoo und das Lippenpiercing setzt sie bewusst nicht in Szene, versucht aber auch nicht den Körperschmuck zu verdecken. In vielen Berufen haben sich die Dresscodes in Deutschland längst gelockert, in anderen aber sind sie starr geblieben. Entweder weil es praktisch und notwendig ist, wie die Kochmütze beim Koch oder der Kittel beim Arzt, oder weil es darauf ankommt neutral zu sein im Umgang mit Kunden, mit denen man sein Geld verdient oder von denen man gewählt werden möchte.

Kleidung ohne Angriffsfläche

Auch die Anwältin Christiane Kossendey achtet darauf, wie sie sich kleidet, wenn sie Mandanten trifft. Sie hat sich gerade erst unter dem Namen "advocata mobilis" als mobile Anwältin in Düsseldorf selbständig gemacht. In ihrem Kleiderschrank hängen zahlreiche Kostüme, Hosenanzüge und Kombinationen in gedeckten Farben - Kleidung, die sie in Arbeitsstimmung versetzt, sagt sie. "Zu ganz offiziellen Terminen wähle ich einen Anzug, vielleicht weil ich meine Weiblichkeit da auch nicht betonen möchte. Ich bin ja da, um meine fachliche Kompetenz zu zeigen und nicht, was für eine Frau ich bin, wie ich aussehe, welche Hüften ich habe, da gehe ich am liebsten ganz neutral."

Friseurweltmeister Christoph Schildmann demonstriert 2004 an einer Puppe seine Kreation einer Galafrisur (AP Photo/Thomas Kienzle)
Wohl keine Frisur für eine Anwältin...Bild: AP

Die Etikette-Trainerin Gabriele Krischel spricht hier von einem "implizierten Dresscode". Durch Kleidung könne man nicht positiv auffallen, sondern nur negativ. Hosenanzug, Kostüm, Krawatte und Bluse funktionierten in bestimmten Branchen wie eine Uniform, "man fühlt sich sicher, man muss sich keine Gedanken machen, was richtig ist und was falsch". Der Satz "Kleider machen Leute" wirkt zwar altmodisch, stimmt aber. Kleider bestimmen, welchen Eindruck das Gegenüber von einem bekommt.

Kleidung, die die Kunden erwarten

"Man sagt, dass man den ersten Eindruck in den ersten 30 Minuten nicht ändern kann", so die Etikette-Trainerin. "Das heißt, wenn ich von jemandem denke: 'Die ist ja nicht so ordentlich angezogen, wer weiß, ob die meinen Antrag ordentlich bearbeitet', dann braucht das erstmal 30 Minuten, bis die Person mich vom Gegenteil überzeugen kann." Diese Zeit hat nicht jeder. Der Banker Dieter Doetsch zum Beispiel betont, dass es darauf ankomme, was der Kunde möchte. Darauf müsse man auch beim Erscheinungsbild achten. Das Wissen darüber, was Kunden wollen, basiere zum einen auf Erfahrungswerten, zum anderen auf Tests.

Dieter Doetsch mit einem Auszubildenden (Foto: Marlis Schaum)
Dieter Doetsch und Max BayerBild: DW

Als ein Bankinstitut die Auszubildenden probeweise in Jeans und Hemd arbeiten ließ, um junge Kunden anzusprechen, hätten die Kunden das nicht wahrgenommen. Sie hätten die Azubis ignoriert. Selbst bei Verkaufsaktionen in Bankfilialen, bei denen die Mitarbeiter T-Shirts trugen, die etwas mit der Aktion zu tun hatten, habe es negative Kommentare von Kunden gegeben, erzählt Doetsch. Deshalb trichtern Banken ihre Auszubildenden von Anfang an ein, was sein darf und was nicht. Für die Herren Anzug und Krawatte, bei den Damen ist es einfacher aufzuzählen, was nicht geht: bauchfrei, Dekolleté, schulterfrei, kurze Röcke, Unterwäsche, die man sieht, zu viel Make-up, zu lange oder rot lackierte Fingernägel.

Kleidung, die ohne Manieren nicht funktioniert

Ein Banker muss neutral und seriös auftreten - oder, wie es der Azubi Max Bayer formuliert: "In eine Bank geht man ja nicht, weil die Stimmung da so toll ist, sondern weil man Geschäfte erledigen möchte." Was als neutral oder seriös gilt, ist natürlich eine Frage der Kultur und Tradition. In der westlichen Welt signalisieren gedeckte Farben bei Anzug, Kostüm, Hemd und Bluse Seriosität, da sind sich die Stiltrainer einig. So etwas kann sich ändern, dauert aber. Immer mehr Firmen machen es inzwischen so, wie es die Schweizer Bank UBS vorhatte: Sie stecken ihre Mitarbeiter in Uniformen. Dann müssen sie sich nur noch darauf konzentrieren, dass diese sich korrekt verhalten. Denn sie wissen genauso gut wie jeder Etikette-Trainer: Schlechte Umgangsformen können das beste Outfit kaputtmachen.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Petra Lambeck