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Das Seniorentheater boomt in Deutschland

12. Juni 2011

Senioren sitzen nicht nur in den Rängen der Theater, sie stehen immer öfter auch auf der Bühne. Überall in Deutschland schießen Seniorentheatergruppen wie Pilze aus dem Boden. Sie spielen Klassiker und eigene Stücke.

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Theatergruppe Hasen und Hüpfer am Off-Theater Neuss: Spielszene Zeitblenden (Foto: off-Theater Neuss)
"Alte Hasen" am Off-TheaterBild: Off-Theater Neuss

Die Seniorentheaterszene in Deutschland wächst rasant. Fast jedes Stadttheater bietet inzwischen Workshops für ältere Menschen an, und die Zahl der privaten Initiativen ist kaum mehr überschaubar. Die Theaterarbeit eröffnet neue Perspektiven, bietet Gelegenheit, gemeinsam zu lernen, neue Erfahrungen zu sammeln und sich auszutauschen. Das "off-Theater nrw" in Neuss am Rhein gehört seit Jahren zu den Vorreitern. Die staatlich anerkannte Akademie führt Fortbildungen in den Bereichen Theaterpädagogik, Tanzpädagogik, Rhythmik und Kulturmanagement durch. Dazu kommen Schulprojekte und das Generationentheater.

Theatergruppe Hasen und Hüpfer am Off-Theater Neuss: Spielszene Zeitblenden (Foto: off-Theater Neuss)
Spielszene ZeitblendenBild: Off-Theater Neuss

Viel Potenzial

Montagabend im "Off-Theater nrw": Während draußen die Sonne glüht, ist es im Probenraum angenehm kühl. Ein nüchterner Saal, einziges Requisit ist eine schmale Bank. In zwei Tagen ist Premiere. Die "Alten Hasen" treffen sich zur Generalprobe. Vier Damen und ein Herr im Alter von Mitte Fünfzig bis Anfang Siebzig erscheinen in einheitlichem Outfit in türkis und schwarz. Die Geschichten, die sie auf die Bühne bringen, haben sie selbst entwickelt. Es sind Episoden aus ihrem Leben, die sie in Spielszenen gefasst haben.

Jessica Höhn leitet die Gruppe. Die Theaterpädagogin ist von der Arbeit mit Senioren begeistert. Sie erzählt: "Die Leidenschaft, mit Senioren Theater zu spielen, kam eigentlich schon im Studium. Ich habe meine Abschlussarbeit über das Altwerden mit Theater geschrieben. Die Menschen haben unglaublich viel zu erzählen und Lust, noch mal was Neues zu machen. Das war eine spannende Erfahrung für mich."

Spielfreude und Kreativität

Spielszene Zeitblenden (Foto: off-Theater Neuss)
Spielszene ZeitblendenBild: Off-Theater Neuss

Auf der Bühne zu stehen, in eine Rolle zu schlüpfen und einfach drauflos zu spielen und das vor den kritischen Blicken der Zuschauer – das fällt Amateuren oft nicht leicht, auch wenn das Publikum meist aus Bewohnern von Seniorenheimen, älteren Menschen in Kirchengemeinden oder Seniorenclubs besteht und die Akteure für ihren Auftritt kein Geld verlangen. "Man hat ja dann den Polizisten im Kopf, der sagt, ach nee, das ist doch peinlich, das kannst du nicht mehr, dazu bist du zu alt", weiß die Theaterpädagogin. Sie will deshalb die Teilnehmer wieder "zum Spielen verführen". Ein Angebot, das dankbar angenommen wird.

Schauspielerin Daggi, eine kleine, lebhafte Dame, Mitte 60 und seit jeher begeisterte Theaterbesucherin, erzählt: "Es ist so toll, es macht so viel Spaß, wir sind richtig zusammengewachsen. Ich arbeite nicht mehr, und hier trainiert man sein Gedächtnis, man muss sich Abläufe merken, die es so im normalen Alltag nicht gibt." Spielfreude, Kreativität und der Austausch mit anderen - all das begeisert die"Alten Hasen". Aber es kommt noch mehr dazu. Volkwin, Anfang 60 und der einzige männliche Teilnehmer, erzählt mit unverkennbar rheinischem Akzent, wie er nach neuen Anregungen gesucht habe, als er nicht mehr gearbeitet hat, und er gibt offen zu, dass er sich durch das Theaterspielen sehr verändert hat. "Ich bin dadurch sehr selbstsicher geworden, und für mich ist das eine riesige Erfahrung. Ich kann jedem nur raten, so was mal auszuprobieren."

"Erzähl mir was - ich zeig es dir!"

Theatergruppe Hasen und Hüpfer am Off-Theater Neuss: Spielszene Zeitblenden (Foto: off-Theater Neuss)
Spielszene ZeitblendenBild: Off-Theater Neuss

Fünf selbsterlebte Geschichten haben die "Alten Hasen" unter Anleitung von Jessica Höhn zu einer Collage verarbeitet. Jeder findet sich hier mit seinen Erlebnissen wieder - seien es Kriegserinnerungen, eine Reise oder Begebenheiten aus der Familie.

Aus dem Erzählten formen sich nach und nach Spielszenen. Am Anfang steht die Improvisation. Jessica Höhn erzählt: "Ich arbeite nicht von einer Textcollage her, sondern fange mit der Idee an. Man beginnt gemeinsam zu spielen, und daraus entsteht eine Szene, an der wir dann feilen und basteln. Dann wird das Ergebnis aufgeschrieben, wiederholt, und so ist auch dieses Theaterstück entstanden. Ich glaube, für die Spieler war es spannend zu sehen, wie ihre Geschichte in Szene gesetzt wird und sich entwickelt. Das war manchmal so ein Aha-Erlebnis: 'Ja, genau so war das, das ist toll.'"

Autorin: Gudrun Stegen

Redaktion: Sabine Oelze