1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutscher Staatshaushalt tief im Minus

24. August 2021

Die Maßnahmen gegen die Corona-Krise haben im ersten Halbjahr ein riesiges Loch im deutschen Staatshaushalt hinterlassen. Es ist das zweithöchste Minus seit der Wiedervereinigung.

https://p.dw.com/p/3zPKg
Symbolbild Euro-Geldscheine
Bild: picture-alliance/imageBroker/S. Klein

Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld, Kinderbonus: milliardenschwere staatliche Ausgaben, die die Folgen der Corona-Pandemie abfedern sollten, haben den deutschen Staatshaushalt im ersten Halbjahr tief ins Minus gerissen. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung gaben bis Ende Juni zusammen knapp 81 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Das Defizit entspricht 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

"Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten die Staatsfinanzen weiterhin stark", sagte Stefan Hauf vom Statistikamt. "Sie haben zum zweithöchsten Defizit in einer ersten Jahreshälfte seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1991 geführt." Ein größeres Minus gab es nur im ersten Halbjahr 1995, als die Schulden der Treuhand in den Staatshaushalt übernommen wurden.

Die Wirtschaft erholt sich, der Staat zahlt

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht in dem enormen Fehlbetrag die "Schattenseite der schnellen wirtschaftlichen Erholung". "Dadurch, dass der Staat den großen Teil der wirtschaftlichen Schäden der Pandemie selbst schultert, wird die Wirtschaft noch vor Jahresende wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben", sagte der Ökonom. "Der Staatshaushalt wird aber noch weiter belastet."

Durch den Corona-Lockdown am Anfang des Jahres war die Wirtschaft eingebrochen, gewann dann aber im zweiten Quartal an Tempo. Die Konsumfreude der Verbraucher und staatliche Konsumausgaben trieben das Wachstum, das allerdings lange nicht das Niveau des Quartals vor der Corona-Krise erreichte. "Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die deutsche Wirtschaft noch vor Jahresende das Vorkrisenniveau erreichen wird. Um dies wirklich zu erreichen, dürfen die derzeitigen Verwerfungen in der Lieferkette jedoch nicht zu lange andauern," meint Brezeski.

Gastronomie im Lockdown dritte Welle
Im Frühjahr hatte die dritte Corona-Welle zum erneuten Lockdown geführt und die Wirtschaft ausgebremstBild: Daniel Kubirski/picture alliance

Im Corona-Krisenjahr 2020 hatte der deutsche Staat erstmals seit 2011 wieder ein Defizit ausgewiesen. Auch im Gesamtjahr 2021 dürfte tiefrote Zahlen herauskommen. Die Bundesbank rechnet mit einem Defizit von mehr als fünf Prozent. Zum Anstieg der Ausgaben trugen maßgeblich die Corona-Überbrückungshilfen, die Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, für Impfstoffe und Schutzausrüstung sowie für Kurzarbeitergeld und Kinderbonus bei.

Im kommenden Jahr wird das Defizit kleiner

2022 erwartet die Bundesbank aber einen deutlichen Rückgang. "Bei fortgesetzter Wirtschaftserholung können coronabedingte Ausgaben wie staatliche Überbrückungshilfen an Unternehmen auslaufen", erklärte sie in ihrem Monatsbericht. Zudem dürften Steuern und Sozialbeiträge kräftiger fließen. "Die Staatsfinanzen erholen sich insoweit automatisch", so die Bundesbank. Die Defizitquote könnte somit im kommenden Jahr auf etwa 1,5 Prozent fallen.

Damit würde Deutschland sich wieder in Richtung seines eigentlichen Ziels bewegen, denn in Deutschland steht die sogenannte Schwarze Null, also die Verpflichtung, mittels einer Schuldenbremse einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen, in der Verfassung. Dieses Gebot hatte der Bundestag wegen der Corona-Krise befristet aufgehoben.

Ärger aus Brüssel droht Deutschland wegen des Defizits nicht. Die EU-Staaten hatten wegen der Corona-Krise erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorerst ausgesetzt, wonach das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf.

Deutschland stehe, was das Staatsdefizit angehe, weiterhin wesentlich besser da als viele andere Länder der entwickelten Welt, meint Holger Schmieding, Chefvolkswirt von der Berenberg Bank. "So rechnen wir für die USA in diesem Jahr mit einem Fehlbetrag von 14 Prozent und für Großbritannien von neun Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung."

Sebastian Dullien, vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK-Institut) findet, es gebe keinen Grund zur Schuldenpanik. Zum einen gebe es bereits eine Trendwende bei den Einnahmen und die Ausgaben würden sich absehbar normalisieren. Zum anderen würden die Zinsausgaben fallen - trotz gestiegenem Schuldenstand. "Für das Gesamtjahr ist sogar damit zu rechnen, dass der deutsche Staat gemessen am Bruttoinlandsprodukt so wenig für den Schuldendienst ausgibt wie noch nie seit Beginn der gesamtdeutschen statistischen Erfassung."

iw/hb (rtr, dpa)