1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommt bald die zweite Welle?

Gudrun Heise
28. Juli 2020

Die Coronavirus-Pandemie traf uns alle unvorbereitet. Etliche Länder haben es geschafft, die Infektionskurve so flach wie möglich zu halten. Und nun breitet sich das Virus weltweit so stark aus wie nie zuvor.

https://p.dw.com/p/3fzuy
Coronavirus- COVID-19 - Mikrografie
Bild: picture-alliance/Niaid

Virologen haben die zweite Welle von Corona-Infektionen bereits vor Monaten vorhergesagt. Je freizügiger die Menschen mit den Verhaltensregeln und den Einschränkungen umgehen, die wegen Corona eingeführt wurden, umso größer ist die Gefahr, dass es zu einer zweiten Welle kommt. Jetzt scheint sie anzurollen.

In vielen Ländern ist der Lockdown nicht mehr so streng. Deutschland, Spanien und Griechenland waren die ersten Länder, in denen die rigorosen Beschränkungen aufgehoben wurden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt zu bedenken, dass das Coronavirus vielleicht nie wieder verschwinden werde. Sie warnt vor möglichen Konsequenzen, wenn die Menschen die Lockerungen auf die leichte Schulter nehmen und zu Verhaltensmustern zurückkehren, die vor Corona galten.

In vielen Ländern haben die Geschäfte wieder geöffnet, genauso wie Restaurants. Nachdem es in Australien zu mehreren Infektionen bei Gästen in Lokalen und Bars gekommen war, hat die dortige Regierung die Regelungen wieder verschärft.

USA I Coronavirus I Restaurants in New York
Restaurants und Bars sind in vielen Ländern wieder geöffnetBild: picture-alliance/AP/J. Nacion

Auch die Reiselust der Menschen nimmt wieder zu – ein weiterer Grund für steigende Infektionszahlen. Viele Menschen bewegen sich dabei auf kleinem Raum, es gibt wieder Partys, die Ansteckungsgefahr steigt und das weltweit. In Deutschland gab es Ende Juli einen sprunghaften Anstieg der Infektionszahlen. Auch die Reproduktionszahl R  ging wieder in die Höhe.

Die Reproduktionszahl R  

Die Größe R gibt an, wie viele andere Menschen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt. Diese Zahl hilft,  Neuinfektionen besser vorhersagen zu können. Liegt R beispielsweise bei 3, bedeutet das, dass eine infizierte Person drei weitere Personen ansteckt. Lautet die Reproduktionszahl 1, bleibt das Infektionsgeschehen etwa gleich.

In Deutschland ist diese Reproduktionszahl Ende Juli auf über 1 gestiegen. Dafür könnten unter anderem Urlauber verantwortlich sein, die sich wieder unbekümmert in großen Menschenmassen aufgehalten haben, obwohl die Pandemie noch lange nicht vorbei ist.

Spanien Palma de Mallorca | Coronavirus | Touristen
Purer Leichtsinn: Touristen feiern ausgelassen auf MallorcaBild: picture-alliance/dpa/M. Wrobel/Birdy Media

Gehen die Infektionszahlen nach unten, ist das ein erster Erfolg. Schlägt das Ganze aber ins Gegenteil um, und die Reproduktionszahl steigt an, könnte das auf eine zweite Infektionswelle hinweisen.

Die dramatischsten Anstiege haben die USA und Brasilien zuletzt erlebt, gefolgt von Indien und Südafrika. Allein in Brasilien haben sich bereits weit über zwei Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Nach Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums waren es am 28. Juli 2.442.375 Menschen.

Die zweite Welle

Einen einheitlichen internationalen Standard dafür, wie eine zweite Welle definiert wird, gibt es nicht. Selbst die WHO hat keine eindeutigen Richtlinien. Der Sprecher der WHO, Christian Lindmeier, schrieb in einer E-Mail an die DW: "Der Begriff bezieht sich [nur] auf erneute Ausbrüche, die es nach einem anfänglichen Rückgang gegeben hat. Dasselbe gilt also auch für eine 'dritte' Welle."

Bereits zu Beginn der Pandemie haben Virologen vor einer weiteren Infektionswelle gewarnt und an die Bevölkerung appelliert, sinkende Infektionszahlen nicht als Freibrief für unbekümmertes Verhalten zu sehen.

Wissenschaftler vergleichen das Corona-Virus mit der Spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 grassierte. Nach Angaben der WHO hatte sie weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Menschenleben gefordert.

USA Spanische Grippe 1918
Millionen von Menschen fielen der Spanischen Grippe zum OpferBild: picture-alliance/akg-images

Diese Pandemie war in drei Wellen verlaufen. Dabei war die zweite Welle wesentlich schlimmer als die erste und brachte auch viel mehr Tote. Zwischen den einzelnen Phasen mutierte das Virus. Das könnte auch bei Corona so sein.

Wenn das Virus mutiert

Jedes Virus kann mutieren, also sich verändern. Im besten Fall wird ein Virus durch Mutation schwächer. Das bedeutet, dass es weniger gefährlich ist und weniger Opfer fordert. Damit das geschieht, müssen allerdings viele Menschen bereits eine Immunität gegen das Corona-Virus entwickelt haben. Ob das bei SARS-CoV-2 so ist, wissen die Forscher noch nicht.

Gegen die meisten Viren entwickeln Menschen eine Immunität. Hat man sich einmal angesteckt, bildet der Körper Antigene, man wird immun. Das Virus kann der Person dann nichts mehr anhaben. Ob das uneingeschränkt auch auf das Corona-Virus zutrifft, ist unklar. 

So deuten immer mehr Fälle darauf hin, dass einige COVID-19 Erkrankte schon nach wenigen Monaten keine nachweisbaren Antikörper mehr in sich tragen. Das könnte auch bedeuten, das sie sich wieder anstecken können. 

Mit einem serologischen Test können Experten feststellen, ob jemand Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Keinen Aufschluss gibt ein solcher Test darüber, ob derjenige dann auch immun gegen das Virus ist und wenn ja, wie lange. Wissenschaftler versuchen jetzt diese Frage zu beantworten.

Infografik Herdenimmunität DE

In den bisherigen Hoch-Zeiten von Corona gab es immer wieder Stimmen, die vermittelten, dass nur eine sogenannte Herdenimmunität die Pandemie eindämmen kann. Herdenimmunität tritt ein, wenn ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung bereits immun ist. Dann kann sich der Erreger nicht mehr so schnell ausbreiten.

70 bis 90 Prozent der Bevölkerung müssten gegen ein Virus immun sein, um es aufhalten zu können.

Das Fachjournal "The Lancet" veröffentliche kürzlich eine Studie zur Herdenimmunität. Demnach ist diese gegenüber dem Corona-Virus nicht zu erreichen. Wissenschaftler am Madrider Gesundheitsinstitut Carlos III, das spanische Gesundheitsministerium und die Harvard-Universität in Boston waren an der Studie beteiligt. Es ist die bislang größte europäische Antikörper-Studie mit 60.000 Menschen. 

Die Untersuchungen zeigten, dass nur etwa fünf Prozent aller Spanier Antikörper gegen das Virus gebildet hatten. 

Das Virus mag es kalt

In kalter Umgebung fühlen Viren sich wohl. Das zeigen verschiedene Beispiele, etwa der Fall von Schlachthöfen, in denen meist recht niedrige Temperaturen herrschen. Bei Hitze hingegen breiten sie sich nicht so schnell aus wie bei Kälte.

In der warmen Jahreszeit sollte es also naturgemäß weniger Infektionen mit Viren geben. Ist es draußen kalt, halten sich die Menschen verstärkt drinnen auf. In Räumen aber ist der Luftaustausch nicht so gut und so intensiv wie draußen. So können sich Aerosole leichter in der Luft verteilen.

Gingen die Experten zu Beginn der Pandemie noch davon aus, dass sich SARS-CoV-2 durch Tröpfchen- und Schmierinfektion  verbreitet, wurden wir alle schon bald eines Besseren belehrt. Das Virus verbreitet sich auch durch die Luft.

Ist es draußen trocken und kalt, sind das ideale Bedingungen für das Virus. Die Aerosole halten sich dann wesentlich länger in der Luft als an warmen Tagen. Auf Vorsichtsmaßnahmen kann aber niemand verzichten, und der Winter hat auf der nördlichen Halbkugel noch gar nicht begonnen.