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Wenn Energie immer teurer wird

Thomas Kohlmann
21. Dezember 2021

Die Energiepreise sind 2021 regelrecht explodiert und haben Tanken und Heizen spürbar teurer gemacht. Ein Grund dafür ist die Erholung der Weltwirtschaft. Doch auch die Politik dreht weiter an der Preisspirale.

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Bayern - rauchende Schornsteine auf verschneiten Dächern in Straubing
Bild: picture-alliance /dpa/A. Weigel

Vielen Erdgaskunden flatterte kurz vor Jahresende ein Brief ihres Versorgers ins Haus, in dem saftige Preiserhöhungen für das nächste Jahr angekündigt wurden. Für die Glücklichen unter Deutschlands Gaskunden wird es "nur" zehn Prozent teurer. Wer weniger Glück hat oder einen ungünstigen Vertrag, der muss 20 oder sogar 30 Prozent mehr bezahlen, um es in der kalten Jahreszeit warm in seiner Wohnung zu haben.

Selten ließ sich die Erholung der Weltwirtschaft nach einem Konjunktureinbruch so deutlich an den Preisen für die wichtigsten Energieträger ablesen wie 2021. Je besser die Konjunktur in den beiden weltweit größten Volkswirtschaften USA und China lief, umso mehr schossen die Preise für Öl und Gas in die Höhe. Und es sind vor allem die Preise für Energie, die in den USA und Europa die Inflationsraten in Rekordhöhen treiben. Seit Monaten markieren die aktuellen Inflationsraten neue Höchstmarken, wie man sie zuletzt aus den 1970er und 1980er Jahren kannte. Im November lag die US-Teuerung bei 6,8 Prozent, das war der höchste Wert seit Juni 1982

Knapp und teuer: Gas

Besonders steil verlief 2021 der Preisanstieg beim Erdgas. Seit dem Beginn der Pandemie im März 2020 hat sich der Preis an den Terminmärkten vervielfacht. An einem der wichtigsten Gasterminmärkte, dem virtuellen Handelsplatz Title Transfer Facility (TTF) in den Niederlanden, schoss der Preis für Erdgas pro Megawattstunde (MWh) von knapp 17 Euro am 4. Januar 2021 auf zuletzt mehr als 100 Euro zur Lieferung Ende Februar. Das war ein Rekord-Anstieg von fast 500 Prozent. Zum Vergleich: Normalerweise bewegt sich der Preis für eine MWh im langjährigen Mittel zwischen 15 und 20 Euro. Aber der Blick auf die Notierungen für Liefertermine nach der Heizsaison zeigt, dass diese Zeiten erstmal vorbei sind: Mit Preisen von fast 60 Euro für Lieferungen Ende Juni bleibt Erdgas auch im Sommer 2022 dreimal so teuer wie im langjährigen Durchschnitt.

Wie hypernervös die Gas-Märkte auf die Mischung aus Verknappung und geopolitischen Stressfaktoren in Osteuropa nach wie vor reagieren, zeigt sich immer wieder besonders drastisch an den Spotmärkten. Hier werden gegen sofortige Bezahlung Rohstoffe zur kurzfristigen Lieferung gehandelt. Mit 175 Euro pro MWh markierte am 20. Dezember der Spot-Preis für Erdgas am europäischen Leitmarkt TTF ein neues Allzeithoch . 

Wort der Woche Dauerbrenner
Bild: Colourbox

Investitionsrückstau drückt Erdölförderung

Auch Erdöl wurde im Laufe des Jahres deutlich teurer. Ende 2020 hatte ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent noch knapp 52 Dollar gekostet. Ein Jahr später, am 9.Dezember, mussten 75 Dollar dafür bezahlt werden. Das ist zwar ein heftiges Preisplus, ist aber immer noch erschwinglicher als die über 86 Dollar, die ein Barrel Brent Ende Oktober 2021 kostete und damit ein neues Dreijahreshoch markierte. Das Internationale Energieforum (IEF) mit Sitz im saudischen Riad geht davon aus, dass schon im zweiten Halbjahr 2022 die Nachfrage nach dem schwarzen Schmierstoff der Weltwirtschaft wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreichen wird. Die Nachfrage bleibt also hoch - es sei denn, neue Virusvarianten führen zu großen Lockdowns in China und die Nachfrage nach fossilen Energieträgern geht so stark zurück, dass die Preise erneut einbrechen. Schließlich verfolgt das Reich der Mitte nach wie vor eine Zero-Covid-Strategie und hat bisher ohne zu Zögern riesige Containerhäfen, Fabriken und ganze Regionen unter Quarantäne gestellt und in den Lockdown geschickt.

Niemand weiß, ob sich der Ölpreis im kommenden Jahr bei Preisen zwischen 70 und 80 Dollar einpendeln wird. Aber kaum etwas spricht dafür, dass Öl wieder so günstig zu haben sein wird, wie im Pandemiejahr 2020. Damals war der Ölpreis zeitweise auf Preise um die 20 Dollar abgestürzt. Ende April hatten die Terminmärkte durch den Zusammenbruch der Nachfrage nach umfassenden Lockdowns der Industrie in China und Europa sogar so verrückt gespielt, dass der Preis für Rohöl der US-Sorte WTI am Abend des 20. April zum ersten Mal in der Geschichte ins Negative gedreht war. Sprich: Man bekam praktisch noch was dazu, wenn man den Händlern ihr Öl abnahm - weil die nicht mehr wussten, wohin damit.  

Für Industrie und Verbraucher heißt dass: 2022 bleibt es für Autofahrer an der Tankstelle ebenso teuer wie für Unternehmen, die ihre Waren von A nach B transportieren müssen. Einen Trost gibt es aber: Vom Allzeithoch aus dem Juli 2008, als ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent mehr als 147 Dollar teuer war, sind wir noch weit entfernt.

Börse in New York
Ölkonzerne wie Chevron und ExxonMobil profitieren von den hohen Preisen Bild: Richard Drew/AP/dpa/picture alliance

Preistreiber Mehrwertsteuer und CO2-Bepreisung

Bis Ende Oktober sind nach den Daten des Statistischen Bundesamtes die Kosten für Energie innerhalb eines Jahres um mehr als 18 Prozent gestiegen. Zwei Faktoren haben dabei einen zentralen Anteil an diesem Preisschub: Nach der vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 auf 16 Prozent, stieg die Steuer am 1. Januar 2021 wieder auf das reguläre Niveau von 19 Prozent an. Außerdem sorgte 2021 die noch von der großen Koalition eingeführte CO2-Steuer für höhere Energiepreise. Jede Tonne Treibhausgas, die beim Heizen mit Gas oder Öl entsteht, kostet genauso wie jede Tonne CO2, die Benziner und Diesel-Autos ausstoßen, seit Jahresbeginn 25 Euro. Wie der Automobilclub AvD vorrechnet, hat die CO2-Steuer seit Jahresbeginn jeden Liter Benzin um rund sieben Cent sowie den Liter Diesel um knapp acht Cent teurer gemacht.

Windflaute macht sich bemerkbar

Auch Strom wird eher mehr als weniger kosten. Denn der Energy Crunch in Europa, vor dem Energieexperten unlängst gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg warnten, geht weiter. Ein zentraler Grund für die Energieknappheit: die europäischen Versorger müssen im Winter wegen des kalten Wetters mehr Gas, Kohle und Öl verbrennen, um zu verhindern, dass es zu Stromausfällen kommt.

Deutschland Energie Windkraftrad und rauchende Schornsteine am Uniper Steinkohlekraftwerk Scholven
Windkraftrad neben Steinkohlekraftwerk in GelsenkirchenBild: picture-alliance/imagebroker

Und der Blick auf die Terminmärkte lässt kaum Entspannung erwarten. Zuletzt waren die Preise für Strom, der im nächsten Jahr geliefert wird, in Deutschland um fast elf Prozent und in Frankreich um 7,7 Prozent auf ein Allzeithoch geklettert. Und schon jetzt wirken sich die hohen Preise in diesem Monat auf die Terminkontrakte für die folgenden Jahre aus - ein Zeichen dafür, dass die Krise länger dauern könnte als von vielen erwartet.

"Der Winter ist noch lange nicht vorbei"

"Der Winter ist noch lange nicht vorbei", warnte Arne Bergvik, Chefanalyst des schwedischen Energieversorgers Jamtkraft, gegenüber Bloomberg. Wenn es schon zu Winterbeginn kalt ist, so Bergvik, werde das zu "hohen Energiepreisen für den Rest der Saison führen", weil man immer weniger auf gespeichertes Gas oder Wasserkraft zurückzugreifen könne.

Die Welt hat mit Energieengpässen zu kämpfen, seit sich die großen Volkswirtschaften von der Pandemie erholen und die Nachfrage im Vergleich zum globalen Konjunktureinbruch 2020 sprunghaft angestiegen ist. Gleichzeitig ist das Angebot begrenzt, weil jahrelang weniger Geld in fossile Brennstoffe investiert wurde. Das Internationale Energieforum (IEF) appellierte Anfang Dezember, dass die Investitionen in die Erdöl- und Erdgasförderung bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 523 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöht werden müssten, um einen weiteren starken Anstieg der Energiepreise und dadurch ausgelöste Konjunktur-Turbulenzen zu verhindern. Dass die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) in Absprache mit anderen Produzenten wie Russland ihre Fördermengen seit Jahren begrenzt, sorgt außerdem für ein knappes Angebot und hohe Preise.

Deutschland | Schnee in Nürnberg
Schneeschauer über der Nürnberger AltstadtBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Dazu kommt, dass die in Europa erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen dem Bedarf hinterherhinkt, ganz einfach, weil durch niedrige Windgeschwindigkeiten im vergangenen Jahr weniger Strom durch Windkraft erzeugt wurde.

Politische Weichenstellungen

Dass fossile Energie zu einem teuren Gut wird, ist politisch gewollt und soll die deutsche Volkswirtschaft schneller klimaneutral machen. Und zum klimapolitischen Kalkül der alten und neuen Bundesregierung gehört, dass der Preis für jede Tonne CO2 jedes Jahr um weitere zehn Euro steigt. Das soll es für Autofahrer und Unternehmen immer unattraktiver und teurer machen, Benzin- oder Dieselautos zu nutzen.

Und so ist es eher unwahrscheinlich, dass es irgendwann in absehbarer Zeit wieder billige Energie in Hülle und Fülle gibt. Energie wird erst dann wieder richtig billig, wenn die Konjunktur und damit die Nachfrage weltweit einbricht, wie beim Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020. Und das wünscht sich wirklich niemand.